Fakten zur Eberhardsbrücke (Nachtrag)

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Wahrheiten über die Neckarbrücke (08.09.2021)
einschließlich des Protokolls der Stadt Tübingen zur Expertenbesprechung über den Stand der Neckrbrücke.
Ergebnis: die Neckarbrücke steht sicher!
Faktenblatt Eberhardsbrücke 08.09.2021-1
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Faktenpapier 10 - Eberhardsbrücke

Faktenblatt       Eberhardsbrücke        

 

 

 

Zu Unrecht totgesagt

 

Die Eberhardsbrücke ist weder baufällig
noch ist ein definierbares Ende ihrer Lebenszeit absehbar.

Aussagen über das baldige Ende sind widerlegt: Durch die von der Stadt 2016 beauftragten Gutachten, durch den Hauptprüfungsbericht von 2020/21 und schließlich durch ein Fachgespräch von Experten am 27.7.2021. Sie bestätigen alle die völlig offene Lebensdauer der Brücke. Die Gerüchte sind falsch!

 In einem Anhang, den Sie auf Gleisfrei.org bei den Faktenpapieren finden, werden diese und alle folgenden Ausführungen vertieft und dort finden sich auch alle erforderlichen Quellen zu ihrem eigenen Nachlesen.

Die zu erwartende Lebensdauer der Brücke ohne eine darüber verlaufende Stadtbahn wurde in den beiden Fachgutachten von 2016 nicht geprüft. Zu prüfen war nur, ob die Brücke die zusätzlichen Lasten der Bahnen und 55 cm hohen Betonhochgleise trägt. Die Antwort war: Mit einer Innenstadtstrecke kommt die Brücke mit über 30% mehr Last an die Grenze ihrer Tragfähigkeit. Dann sei es unter Umständen - statt einer möglichen Verstärkung - sinnvoll, eine neue Brücke zu bauen.

 

Vorhersagen zur Restlebensdauer einer Brücke sind generell wenig sinnvoll und werden angestellt, wenn die Standfestigkeit oder Tragfähigkeit einer Brücke bedroht erscheinen. Dafür liegen bei der Eberhardsbrücke seit 120 Jahren - und dies bis heute - keinerlei Hinweise vor. Bei solchen alten, massiven Bogenbrücken gibt es keine Griffgrößen, statistischen Daten oder Fachliteratur über eine „übliche Lebensdauer“. Manche stehen Hunderte von Jahren in voller Nutzung und auch die Eberhardsbrücke erscheint für weitere Jahrzehnte der Nutzung gut zu sein.

 

Die Eberhardsbrücke muss wie jede, auch völlig neue Brücken, regelmäßig gewartet und instandgehalten werden. Die aktuelle Hauptprüfung 2020/21 zeigte nur sehr übliche Schäden, wie sie jede Brücke nach einer länger zurückliegenden Generalinstandhaltung aufweist. In dem Jahrzehnt seit der letzten Instandhaltung haben sich nach der Auswertung durch die Verwaltung Instandsetzungsarbeiten in Höhe von etwa € 400.000 angesammelt. Das berechnete der Tiefbau aus den Ergebnissen der aktuellen Hauptprüfung.


Der Betrag entspricht etwa 2% des Wertes der Brücke oder 0,2% pro Jahr seit der letzten größeren Revision. Das ist ein sehr niedriger Wert und belegt, dass die Brücke - bis auf die 1951 angehängte Fußgängerbrücke, die irgendwann ersetzt werden sollte - keine gravierenden Probleme hat. Diese Hauptprüfungsbericht enthält - wie die beiden Gutachten von 2016 - keine Aussagen zu einem sich irgendwie bereits abzeichnenden Ende der Lebensdauer.

 

Weil darüber plötzlich jetzt kurz vor dem Bürgerentscheid neue Ansichten und Gerüchte verbreitet wurden, die Brücke habe nur noch eine kurze Restlebensdauer oder sei gar einsturzgefährdet, fand am 27.7.2021 eine Fachbesprechung statt unter Teilnahme der Fachgutachterin von 2016, einem von uns benannten Fachingenieur und der Tübinger Bauverwaltung. Der unserem Experten zeitnah nach der Sitzung zugeleitete Protokollentwurf durch die Stadtverwaltung enthielt folgende Aussagen. Wir gehen davon aus, dass diese Angaben nicht vertraulich sind, haben die Stadt aber vorsorglich um eine nachträgliche Zustimmung gebeten:

 

1.            Bewegungen der Brücke

 

Es besteht Einigkeit darüber, dass sich Brückenbauwerke in Abhängigkeit von der Bauwerkstemperatur in ihrem Scheitelpunkt planmäßig bewegen. Das können bei der Eberhardsbrücke Bewegungen von +/- 30 mm sein. Problematischer wären Bewegungen im Bereich der Widerlager, die bisher nicht gemessen wurden.

 

Von der städtischen Ingenieurvermessung werden diese Bewegungen seit 25 Jahren regelhaft gemessen. Auch Anfang der 50er-Jahre wurden die Höhen der Scheitelpunkte der Stampfbetonbrücke in Relation zu den Bewegungen der sogenannten Gehwegbrücke gemessen. Damals waren an der Stampfbetonbrücke nahezu keine Bewegungen zu messen.
Es ist unstrittig, dass diese gemessenen Bewegungen nur in Verbindung mit der Bauwerkstemperatur aussagekräftig sind.

 

Allerdings wurde beim letzten Feinnivellement unter Berücksichtigung des Temperatureinflusses eine Absenkung des Scheitelpunktes um 10 mm gemessen. Das ist per se kein Alarmsignal.

 

2.            Mögliche Ursachen für eine (temperaturunabhängige) Absenkung des Scheitelpunktes.

 

Ursache dafür könnte eine Verformung der Widerlagergelenke, die schon 120 Jahre alt sind, oder auch schlechtestenfalls eine schleichende Änderung der Materialeigenschaften des Stampfbetons sein. Allerdings sind am Bauwerk keine Risse erkennbar, die ein äußeres Anzeichen dafür wären.

 

3.            Restlebenszeit

 

Die Eberhardsbrücke ist für ihr Alter noch rüstig, aber wie bei den Menschen ist das keine Garantie für die Zukunft.

 In naher Zukunft, also einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren, besteht kein akuter Erneuerungsbedarf. Allerdings sollte man gewappnet sein, falls sich die Absenkung des Scheitelpunktes temperaturunabhängig fortsetzt, oder am Bauwerk Risse erkennbar sein sollten. Dann besteht Handlungsbedarf, wobei das „Szenario Einsturz der Brücke“ nicht eintreten wird.

 

4.            Was ist im Weiteren zu tun?

 

Das Feinnivellement wird auch zukünftig mit Messung und Dokumentation der Bauwerkstemperatur fortgesetzt. Die Stampfbetonbrücke ist regelhaft, mindestens einmal jährlich, auf eine beginnende Rissbildung zu untersuchen. 

 

Anm.: Ein später verfasster zweiter Protokollentwurf diskutierte auf Wunsch einer Gutachterin zusätzliche Punkte. Sie sind theoretischer Natur und haben aus unserer Sicht mit dem Zustand der Brücke nichts zu tun. Vor allem waren sie bei dem Gespräch der Fachleute nach Aussage unseres Experten gar nicht angesprochen worden. Über sie war im Nachhinein in einem kurzem Mailverkehr keine fachliche Einigung herzustellen. Obwohl über den zweiten Entwurf formal keine Einigung erzielt wurde, autorisiert die Stadt für sich die zweite Version. Da die zusätzlichen Punkte in Bezug auf die Neckarbrücke theoretisch waren, schienen uns die Ergänzungen zunächst unschädlich. Leider werden genau diese Passagen jetzt öffentlich zitiert, um das Gefühl einer angeblich kranken Brücke weiter aufrecht zu erhalten und den Inhalt der Besprechung so in sein genaues Gegenteil zu verkehren. Dagegen verwahren wir uns.

 

Der Eberhards-Brücke fehlt danach nichts:
Sie zeigt keine Risse oder sonstige Mängel, die auf einen Verlust der Tragfähigkeit in absehbarer Zeit hindeuten.

 Eine festgestellte und dramatisierte Veränderung des Scheitelpunktes um 1 Zentimeter in 15 Jahren ist solange ohne Bedeutung, wie diese Veränderung nicht unter gleichzeitiger Messung der Temperatur verifiziert wird.  Diese Zusatzmessung wurde erst vor zwei Jahren begonnen. Temperaturabhängig bewegt sich eine solche Brücke völlig natürlich um 3 Zentimeter, betonten die Fachleute (siehe oben).

 

Vom Konstruktionsprinzip und von der Materialität her (sog. Stampfbeton, nicht zu verwechseln mit dem anfälligen Stahlbeton) sind Aussagen über ein mögliches Ende einer solchen Brücke unmöglich. Die Brücke kann noch Jahrzehnte ohne Mängel weiter ihre Aufgabe erfüllen. Und selbst beim Auftreten von Hinweisen auf entstehende konstruktive Schwachstellen wäre der Abriss nur eine der möglichen Optionen.

 

Ernst Gumrich                                                                                           

 

08.09.2021


Anhang:    Vertiefte Angaben zum Faktenpapier Eberhardsbrücke

 

Folgende Unterlagen liegen diesem Faktenpapier zugrunde und wurden ausgewertet:

 

1.      Vorlage 199/2021 vom 30.6.2021
Ergebnis Brückenhauptprüfung Eberhardsbrücke 2021

 2.     Ingenieurgesellschaft Meiss Grauer Holl vom 21.07.2016
„Machbarkeitsstudie Stadtbahn Eberhardsbrücke Tübingen“

 3.     Ingenieurbüro Haisch in Kooperation mit Prof. Weber vom 14.07.2016:
„Umbau Eberhardsbrücke für Stadtbahnen - Machbarkeitsstudie“

 4.      Büro für Ingenieur- und Brückenbau Müller-Winkle
Prüfbericht der Hauptprüfung Eberhardsbrücke 2020/21

 

Bei der Verwaltung wurden alle relevanten Unterlagen für ihre in der Vorlage 199/2021 getroffenen Abschätzungen angefordert. Die vorstehenden drei Dokumente (neben der eigenen Vorlage) sind es dem Vernehmen nach. Wir haben Sie genauestens studiert und Fachleuten zur Bewertung vorgelegt.

 

Die Vorlage deutet eine mögliche Restlebensdauer von 10 – 15 Jahren an, macht das allerdings extrem vorsichtig mit vielen „hätte“, „würde“ und „könnte“. Für diese Aussage finden sich in den Gutachten keine belastbaren Aussagen. Nur eine in der Vorlage aus den Gutachten von 2016 heraus zitierte Stelle klingt anders. Man findet aber beim Nachlesen heraus, dass diese Aussage aus dem Kapitel stammt, das prüfte, ob die Brücke das um mehr als 50 % gegenüber der heutigen Belastung höhere Gewicht der ISS-Züge und die Hochgleise statisch noch tragen würde. Darauf und nur darauf antwortet das Gutachten mit der Aussage, dass dies grenzwertig erscheine. Wo sich das Gutachten über die Weiternutzung wie heute (d.h. ohne ISS) äußert, finden sich hingegen nur positive Aussagen über die Haltbarkeit und Standfestigkeit der Brücke.

 

Zum besseren Verständnis der Fragen muss man drei unterschiedliche Bauteile der Brücke einzeln anschauen:

  • Den Hauptteil, die Bogenbrücke aus Stampfbeton von 1901
    Stampfbeton hat trotz des ähnlichen Klangs nichts mit „Stahlbeton“ von heute zu tun. In Stampfbeton ist weder Stahl noch Eisen verbaut. Der Stampfbeton funktioniert eher wie Sandstein, den man von römischen Brücken kennt und der dort für Lebenszeiten einzelner Brücken von tausend Jahren und mehr sorgte. Ob Stampfbeton sich als so haltbar erweist, das weiß man umgekehrt auch nicht. Er wurde eigentlich nur in den ersten 20 Jahren des 20.Jahrunderts genutzt.
    Auch die Bogenkonstruktion der Eberhardsbrücke ist mit römischen Sandstein-Brücken vergleichbar. Diese Brücken sind extrem massiv und schwer und ihre eigene Masse ist im Vergleich selbst zu den heutigen Traglasten mit vielen Bussen so groß, dass die aufgebrachten Verkehrslasten ihr dennoch relativ wenig abfordern.
    Beton als solcher (ohne Stahl und Eisen) altert sehr wenig. Er muss bei einer solchen Bogenbrücke fast nur mit Druck zurechtkommen. Das können Sandstein und dieser Beton sehr gut. Er wird mit der Zeit unter Druck sogar eher härter. Das Problem der Stahlbeton-Brücken, deren Stahlbewehrungen durch endringende Feuchtigkeit korrodieren, hat diese Brücke also vom Bauprinzip her gar nicht.
    Im Prüfbericht 2020/21 wird eine Setzung der Brücke in den letzten 15 Jahren um einen Zentimeter berichtet. Das ist nach Aussagen von erfahrenen Ingenieurbau-Firmen und Gutachtern, die wir (mit den obigen Dokumenten) dazu befragt haben, eher lächerlich wenig. Daraus irgendwelche Schlüsse auf die Restlebensdauer zu ziehen, sei nun wirklich nicht möglich und jedenfalls deutlich verfrüht. Solche geringen Setzungen sind im eher untersten und damit normalen Bereich. Sie haben in aller Regel völlig harmlose Gründe und geben keinerlei Hinweis auf eine eingeschränkte Funktion oder Lebensdauer.

 

  • Auf der Bogenbrücke liegt die Überdeckungsplatte, d.h. die Fahrbahn.
    Neben der Fahrbahnfunktion verteilt sie statisch die Kräfte gleichmäßig auf die Brücke.  Sie ist inzwischen -entgegen der Ursprungskonstruktion 1901) aus Stahlbeton und unterliegt damit der Alterung. Bei Eintritt von Salzen in dieses Bauteil kann es zur Schädigung der Zugstabilität kommen. Sie ist damit, wie bei jeder Brücke, ein Verschleißteil und muss regelmäßig gewartet und in Dekaden auch immer wieder abschnittsweise oder komplett erneuert werden. Das gilt für alte wie für neue Brücken. Der aktuelle Prüfbericht beschreibt die erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen, mahnt aber noch keinen grundhaften Ersatz von größeren Teilen der Überdeckungsplatte an.
  •  In den 50-er Jahren hat man an die Brücke stromaufwärts die Fußgängerbrücke als Erweiterung angebaut.
    Sie ist nur angeflanscht, nicht konstruktiv mit der Hauptbrücke verschmolzen. Sie muss sicher eines nahen Tages erneuert werden, denn sie war von Anfang an von minderer Bauqualität und zeigt viele Mängel (auch im aktuellen Prüfbericht).
    Aus dem laufenden Unterhaltungsbedarf an der Überdeckungsplatte sowie aus dem, wahrscheinlich in einigen Jahren sinnvollen Ersatz des Fußgängerteils, kann man nach Ansicht der befragten Ingenieurbau-Experten definitiv nicht das Ende der Lebensdauer der Brücke ableiten oder auch nur ein mögliches Zieldatum seriös prognostizieren. Das wäre so, als wollte man am Zustand der Reifen und an einer zerkratzen Frontscheibe auf den sinnvollen Verschrottungstermin eines Autos schließen.
    Die benannten Gutachten von 2016 sollten allein die Frage klären, ob die alte Brücke die zusätzlichen Lasten der Regionalstadtbahn trägt. Das verneinten die Gutachten tendenziell, weil das statisch an der Grenze lag. Mehr haben die Gutachten nicht gesagt. Zu einer Brücke, die weiterhin etwa so wie heute belastet wird, fehlen die Aussagen. Es fehlen zudem sämtlich Untersuchungen, die erforderlich gewesen wären, um derartige Aussagen gutachterlich machen zu können. Dazu muss man in die Brücke genauer hineinschauen.

 

Die aktuelle Hauptprüfung 2020/21 hat ebenfalls und sogar nur relativ geringe Unterhaltungserfordernisse zu Tage gefördert. Auch von daher ergibt sich also kein Hinweis auf das mögliche Ende der Lebensdauer.

 

Ernst Gumrich

 

Die zitierten Unterlagen sind als pdf abrufbar (siehe Seite oben).

 

Ein politischer Nachtrag als Frage:


Wie kann man in Zeiten der Klimakrise und mit einer grünen Stadtregierung auch nur daran denken, eine funktionstüchtige, standfeste Brücke abzureißen und aus Stahl und Beton eine neue zu bauen? Das Gutachten von 2016 brachte - für den Fall der zusätzlichen Belastung durch die ISS – eine auch mögliche statische Verstärkung der bestehenden Brücke ins Gespräch. Das wurde in den weiteren Überlegungen der Stadtverwaltung sofort ausgeschlossen, weil man unbedingt eine breitere Brücke für die Fahrräder wollte. Ja, mehr Radverkehr kann bei der Bewältigung der Klimakrise helfen. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wirkt es in die Klimabilanz negativ, wenn man deshalb eine intakte oder leicht sanierbare Brücke abreißt und eine neue baut. As mögliche Mehr an Fahrradverkehr wiegt die graue Energie beim Abriss einer alten und Bau einer neuen Brücke) in die CO
2-Bilanz nicht auf. Jedenfalls nicht rechtzeitig.