Fakten 07 - Ökologie der ISS

 

 

Der CO2 Fußabdruck der Innenstadtstrecke Tübingen

 

 

 

Die Stadt Tübingen, der BUND und die BI stimmen darin überein, dass v.a. durch Verbau von Beton und Stahl beim Bau der ISS mindestens 75.000 Tonnen Treibhausgase (CO2eq/THG) freigesetzt werden – noch bevor der erste Zug durch Tübingen rollt. Vergleicht man E-Busse gegen die ISS, sind E-Busse immer sparsamer und ökologischer als eine ISS. Beide fahren mit dem selben Strom! Auch schnell steigende E-PKW Zahlen machen es nahezu unmöglich, den Klimarucksack der ISS durch Umstieg Auto – ISS in der Zukunft abzutragen.

 

Wie hoch ist die CO2-Last der Stadtbahn?

 

Laut Hochrechnung nach Bund Berlin 72.000 Tonnen CO2. Laut Stadtverwaltung Tübingen (mit Verweis auf die BUND Studie): mindesten 75.000 Tonnen. Wir sind uns alle einig: die Klimalast der Stadtbahn liegt bei 75.000 Tonnen CO2. Bevor der erste Fahrgast einsteigt!

 

 

 

Und was ist mit E-Bussen?

 

Würde der Tübinger Busverkehr ab 2022 komplett auf E-Busse umgestellt und würde die ISS hypothetisch erst ab 2031/35 ihren Betrieb aufnehmen können, würde sich der CO2 Rucksack der ISS noch um weitere 15.000 Tonnen vergrößern.

 

 

 

Gut, aber die CO2 Last lässt sich doch abtragen? Es werden doch viele Menschen vom Auto auf die Stadtbahn umsteigen?

 

Die BUND-Studie rechnet für die Berliner Strecke mit einem Abtrag der entstehenden CO2 Last durch vermiedene Autofahrten von weniger als 10 Jahren. Die Stadtverwaltung Tübingen rechnet mit 8 – 19 Jahre Dauer für die ISS Bau Emissionen.

 

ABER: BUND und Stadtverwaltung rechnen damit, dass Autos und Busse auch in Zukunft noch weitgehend mit Treibstoff fahren.

 

Wir wissen, dass E-Autos auf unseren Straßen rasant zunehmen. Ab 2040 fahren praktisch keine Verbrenner mehr. Entsprechend geringer sind die Emissionen der PKW.

 

Die Zahlen der Stadtverwaltung: Ein Auto heute stößt ca. 194g CO2 je Pkm aus. Ein E-PKW etwa 152 g/Pkm. Eine Straßenbahn 78 g CO2/Pkm. Ein Diesel Bus 88 g CO2/Pkm.

 

Anmerkung: Pkm ist die Abkürzung für Personenkilometer. Diese Zahl ist unabhängig von einer Auslastung, weil alle Werte auf einen Wert Emissionen je Person je Kilometer zusammengefasst werden.

 

 


 

 

 

 

ABER:

 

Die Stadtverwaltung vergleicht einerseits Straßenbahnen, die mit Strom fahren, gegen Dieselbusse. Wird unterstellt, dass nur E-Busse fahren, verändern sich die Zahlen so: Straßenbahn 59 g CO2/Pkm; E-Bus 59 g CO2/Pkm! 2040 werden diese Werte für alle Verkehrsmittel gleichermaßen unter 20g CO2/Pkm liegen.

 

 

 

Vor allem sind die Emissionen der Verwaltung für BEV (Batterieelektrische Fahrzeuge) veraltet. Sie berücksichtigen viel zu wenig die rasante Zunahme an BEV.

 

Auch zu den Fahremissionen müssen die Annahmen laut einer Studie der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen von August 2020 geändert werden. Laut Studie kann für BEV mit einem Fahr-Wert von 45g CO2/Km gerechnet werden. Umgerechnet auf Personenkilometer wären das dann je nach Quelle nur noch 30 - 37 g CO2/Pkm.

 

 

 

D.h. ein kleinerer E-PKW ist je Pkm für weniger CO2 Emissionen verantwortlich als ein Pkm mit der Stadtbahn. Da ab 2040 fast nur noch BEV unterwegs sein werden, ist ein Abtrag der CO2-Baulast der ISS-Strecke kaum möglich.

 

 

 

Was ist jetzt mit den Umsteigern? Bringen die nichts?

 

Die Stadtverwaltung stellt Minderungen der CO2 Emissionen durch die ISS von 3.700 – 8.700 Tonnen CO2 pro Jahr in den Raum.

 

 

 

In der Realität wird der Verbrauch der ISS jedoch höher sein, weil sie über 30% schwerer ist als eine Straßenbahn und mehr Bergfahrten anfallen. (Quelle: www.citybahn.de).

 

 

 

Anmerkungen: zwischen Fahrtbeginn der ISS (etwa 2031) bis zum Zeitpunkt (berechnet: ca 2039), zu dem fast nur noch E-Verkehr fahren, wird es eine Mischung zwischen Verbrennern und Elektroautos mit schnell abnehmender Tendenz geben. Grob gerechnet wird die Emission der PKW für diesen Zeitraum noch etwas höher sein als in der Tabelle angenommen. Um Komplexität zu ´reduzieren, haben wir diese Verfeinerung nicht ausgewiesen. Zum fairen Ausgleich haben wir nur mit 45 statt mit 30 – 37 g CO2/Pkm gerechnet.

 

Bei den obigen Zahlen rechnen wir für BEV mit 45g CO2/Pkm und für die ISS mit 59,30 g CO2/Pkm.

 

 

 

 

 

Noch präziser: was würde sich denn ergeben, wenn wir ab sofort 1/3 der Diesel-Busse stilllegen und dafür mit Elektrobussen fahren würden?

 

Würde 1/3 der Busflotte sofort auf E-Bus umgestellt, hätte Tübingen in 10 Jahren 6.000 Tonnen CO2 vermieden anstatt 75.000 Tonnen emittiert. Bei einer Umstellung der gesamten Busflotte könnten 18.000 Tonnen CO2 in 10 Jahren eingespart werden.

 

 

 

Im Klartext: die ISS ist zutiefst unökologisch und eine reine Klimasünde!

 

Deshalb im Interesse unserer Kinder und Enkel: NEIN zur Stadtbahn!

 

 

 

Dr. Thomas Helle 20.06.2021

 

 

 

Quellen:

 

1 Bundestags-Grünen-Studie abrufbar unter
https://www.electrive.com/2020/08/31/study-currently-available-electric-cars-cause-less-co2-emissions-than-ices/

 

2 Umweltbundesamt Studie abrufbar unter
www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_156-2020_oekologische_bewertung_von_verkehrsarten_0.pdf

 

3 BUND Berlin, Studie abrufbar unter
https://klimabilanz-ubahn-tram.de/download/klimabilanz-ubahn-tram.pdf  

 

4. Verwaltungsvorlage 178/2021 nebst Addendum der Stadt Tübingen abrufbar unter
www.tuebingen.de

 

 


 

 

Addendum

 

Die Verwaltungsvorlage 178/2021 der Stadt Tübingen (samt ergänzenden Nachmeldungen) verdient es im Detail kommentiert zu werden. Kursiv klein: Bezüge auf die Vorlage.

 

„Die Innenstadtstrecke der RSB wird in der standardisierten Bewertung mit ihren Verlagerungseffekten nicht separat ausgewiesen. Sehr wohl aber die Fahrgastzahlen auf der Innenstadtstrecke. Diese liegen bei über 25.000 pro Tag, was einen Zuwachs von etwa 12.000 Fahrten täglich ergibt. Davon sind etwa 9.200 von der Straße verlagert.“

 

Nehmen wir die 9.200 von der Straße auf die ISS verlagerten Fahren als gegeben an. Die durchschnittliche Fahrtlänge beträgt laut SWTue 3 km. Bei 300 Werktagen (so die Vorlage) ergibt sich eine Verlagerung von jährlich 8.280.000 PKM. Das entspricht einer Reduktion der CO2 Emissionen von nur noch 373 to CO2 pro Jahr. Zeit bis zum Abtrag: 200 Jahre.

 

Es ist nicht nachvollziehbar, ob die Verwaltung größere Pkm Zahlen annimmt, weil ein Teil davon auch auf der RSB gefahren wird. Dann müssten jedoch fairerweise auch die Bauemissionen der RSB mit eingerechnet werden.

 

„So kommt die Alternativenprüfung nur auf eine Verlagerung von 23 Mio. Personenkilometer pro Jahr zur Stadtbahn-Innenstadtstrecke und lediglich zwischen 6 und 9 MioPersonenkilometer bei den Alternativen Schnellbus oder Seilbahn.“

 

Daraus macht die Verwaltungsvorlage flugs mindestens 30 Mio Pkm bis maximal 70 Mio Pkm und rechnet dann mit diesen Zahlen weiter.

 

Unsere ökologischen Experten haben ihre Berechnungen in einer prägnanten Grafik dargestellt, sie spricht für sich selbst:

 

 

 

 

 

Auch viele weitere Vorannahmen der Verwaltungsvorlage lassen sich im Einzelnen kritisch hinterfragen:

 

·       Seite 3: Die spezifischen Emissionen in CO2 der ISS betragen in 2019 59g/Pkm.

 

Das stimmt, wenn für Tübingen der hohe Auslastungsgrad von 23% angesetzt wird. Die BI rechnet mit einem Auslastungsgrad von 10%, vor allem, weil den ganzen Tag über Doppelzüge fahren sollen. Außerhalb der Stoßzeit werden jedoch nur wenig Passagiere transportiert. Das Umweltbundesamt gibt als Standardauslastung 18% an.

 

·       Seite 4, Tabelle 3: Zu spezifischen Emissionen … Bei Batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) rechnet die Verwaltung mit den UBA Zahlen von 2019/2021; Emissionswerten für BEV von 152,2 g CO2/Pkm.

 

Das ist falsch, da die Autohersteller schon heute Elektroautos klimaneutral produzieren bzw., noch vorhandene Emissionen kompensieren. VW macht das durch den Kauf von CO2 Zertifikaten. Effekt: Der CO2 Preis ist liegt heute 14.6.2021 bei 53 €/t (nach einem Hoch von über 55€/t am 17.Mai). Zur Erinnerung: Die Bundesregierung hat den Preis ab Januar 2021 auf zunächst 25 Euro pro Tonne festgelegt. Danach soll der Preis schrittweise auf bis zu 55 Euro im Jahr 2025 ansteigen. Für das Jahr 2026 soll ein Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten.

 

Das heißt: nicht zuletzt durch die Nachfrage der Automobilhersteller liegt der CO2 Preis schon heute (nur ein halbes Jahr nach Beginn des Handels) bei der Marke, die die Bundesregierung für 2025 geplant hat. Auch der gerade gefasste Beschluss der Grünen für einen CO2 Preis von 60€ ist fast schon überholt. Das System des CO2 Handels funktioniert also nicht zuletzt wegen der großen Nachfrage durch die Autoindustrie.

 

Diesen Erfolg jetzt in den Vergleichsrechnungen mit der ISS einfach unter den Tisch fallen zu lassen und z.B. die nicht klimaneutral produzierten oder kompensierten Straßenbahnen gleichwertig zu behandeln ist absolut unseriös.

 

·       Seite 5: Entwicklung der CO2 Emissionen aus dem PKW-Verkehr

 

Falsch: Die Zahlen kranken nicht nur an der Verwendung eines Szenarios statt einer Prognose, sondern vor allem daran, dass dieses Szenario bereits heute überholt ist. Zitat: S.5 2.Absatz : [gehen] „...für 2030 … davon aus, dass von den insgesamt 53,3 Millionen PKW gerade einmal 8,5% Batterie-elektrische Fahrzeuge (BEV) sein werde.“
Realität: Rechnen wir die aktuellen BEV Zulassungszahlen realistisch hoch bis 2057, ergibt sich folgendes Bild:

 

 

 

 

·       Seite 8: Vergleichsprojekte im Straßenbau

 

Das ist eine völlig unseriöse Stimmungsmache, weil es völlig unabhängige Projekte sind.

 

·       Seite 10: Amortisationsrechnung

 

Falsch wegen der Serie von tendenziösen Fehlern s.o. (Auslastung, E-Autos emissionsfrei hergestellt, Verbrenner verschwinden viel schneller als gerechnet, veraltete Ansätze für Emissionen der E-Autos)

 

·       Seite 10: „Wird die Regionalstadtbahn mit 100 % erneuerbarem Strom betrieben, erfolgt die Treibhausgas-Amortisation schneller.“

 

Erneuerbaren Strom bekommt also nur die Stadtbahn und nicht die Elektroautos? Besser lässt sich die blinde Voreingenommenheit dieser Rechnung kaum demonstrieren.

 

 

Erneuerbaren Strom bekommt also nur die Stadtbahn und nicht die Elektroautos? Besser lässt sich die blinde Voreingenommenheit dieser Rechnung kaum demonstrieren.